Helmut Kaschenz: Wie der Messer-CFO den CVC-Deal stemmte

Große Deals kennt Helmut Kaschenz ganz genau. Der 55-Jährige hat die meiste Zeit seiner Karriere im Investmentbanking verbracht, fast 20 Jahre bei Morgan Stanley und danach einige Jahre bei BNP Paribas. Im Banking habe er ein „Due Diligence Mindset“ entwickelt, berichtet er. „Das hat mir sehr geholfen, als ich vor drei Jahren die Seiten wechselte und CFO von Messer wurde“, sagt Kaschenz. Im Gase-Business geben Größen wie Linde, Air Liquide oder Air Products den Ton an. Es finden sich aber auch mittelständische Unternehmen, die wie die Messer Group mit rund 4,4 Milliarden Euro Umsatz eine ordentliche Rolle am Weltmarkt spielen. Messer sieht sich selbst als Nummer fünf im weltweiten Geschäft. Das Unternehmen beliefert unterschiedliche Industrien wie Lebensmittel, Chemie und Automotive in Amerika, Europa und Asien. FINANCE Köpfe Helmut Kaschenz Messer SE & Co. KGaA Mehr lesen Die Messer-Zentrale steht mitten im Taunus-Städtchen Bad Soden, das rund 23.000 Einwohner zählt. An einem regnerischen Tag im Oktober herrscht dort kaum weniger Verkehr als in der nahgelegenen Mainmetropole Frankfurt, von der aus auch Helmut Kaschenz pendelt. Das Haus der Zentrale fällt im Ortskern nicht besonders auf, würde nicht das Logo an der Fassade kleben. Als reines Verwaltungsgebäude ist es zurückhaltend minimalistisch, aber mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Der silberhaarige Kaschenz begrüßt freundlich in einem Konferenzraum des Messer-Hauptsitzes und entledigt sich gleich zu Beginn des redaktionellen Gesprächs freudig der Krawatte, die er noch aus Bankgesprächen anhatte. Ausfinanzierung des Akquisitionskredits Über zu wenig Arbeit kann Kaschenz sich derzeit kaum beklagen. Das hat auch gute Gründe: Schließlich meistert das Industriegaseunternehmen gerade eine riesige Transaktion, und zwar die Ausfinanzierung der Akquisitionskredite zur Übernahme aller Anteile an Messer Industries. Bereits im Frühjahr 2023 hatte Messer den Kauf der Anteile des Investors CVC an dem gemeinsamen Joint Venture unterzeichnet. Hintergrund: Zuvor war der Private-Equity-Fonds unter Deutschland-Statthalter Alexander Dibelius bei Messer Industries eingestiegen, um mit Messer gemeinsam den Zukauf des Gasegeschäfts von Linde in Nordamerika und einzelnen Segmenten in Südamerika zu stemmen. „Der Kauf der Americas-Aktivitäten von Linde/Praxair im Jahr 2019 war sicherlich der entscheidende Erwerb, Messer auch in den Americas wieder vertreten zu haben”, sagt Kaschenz rückblickend. Jetzt sei Messer mit rund 4,4 Milliarden Euro Umsatz und 1,3 Milliarden Euro operativem Gewinn vor Abschreibungen (Ebitda) im Jahr 2023 „global aufgestellt“. CVC verkauft Anteile an Familie Fünf Jahre später verkaufte CVC seine Anteile nach FINANCE-Informationen für rund 3 Milliarden Euro zurück an die Familie Messer. Das dürfte ein Vielfaches von dem Preis gewesen sein, zu dem der PE-Investor eingestiegen war. Speziell diese Transaktion wollte gut vorbereitet sein, denn die Messer-Familie – laut aktuellem Manager-Magazin-Ranking auf Platz 103 der reichsten Deutschen – holte mit dem Rückkauf gleichzeitig einen langfristig orientierten Minderheitsaktionär mit ins Boot. Mehr zum Thema Private-Equity-Investor CVC steigt bei Messer aus Der Finanzinvestor CVC verkauft seine Anteile an der Industrieholding Messer. Für CVC war das Investment äußerst gewinnbringend. Mehr lesen So stieg der Staatsfonds GIC aus Singapur bei den Bad Sodenern mit rund 20 Prozent ein. GIC soll dabei dem Vernehmen nach mehr als 2 Milliarden Euro bezahlt haben. Mit dem Erlös aus dem Einstieg von GIC wollte Messer den Kauf der Anteile an Messer Industries finanzieren. Zudem hat Messer einen Brückenkredit über mehr als 2 Milliarden Euro aufgenommen. Bei den beteiligten Banken achtete Ex-Banker Kaschenz sorgsam darauf, dass sie die Regionen gut abdecken, in denen Messer vertreten ist. Wurzeln in Asien und China haben beispielsweise die Bank of China, Mizuho und HSBC; in den USA setzt Messer auf die Bank of America und JP Morgan. In Europa zählen etwa Deutsche Bank, Unicredit, ING, Helaba, BayernLB, BNP Paribas, Société Générale, Crédit Agricole CIB und Commerzbank zu den Kernbanken. „Mit vielen Banken arbeitet Messer schon seit vielen Jahrzehnten zusammen“, sagt Kaschenz. „Andere kamen bei dem Einstieg von CVC in Messer Industries vor fünf Jahren hinzu.“ Das Unternehmen braucht sie unter anderem für Finanzierungen, das Cash Management oder das Hedging von Dividendenströmen zwischen Töchtern und der Messer-Zentrale. Roadshow in der US-Provinz für US-PP Nach der gelungenen Übernahme von Messer Industries steht die Ausfinanzierung des Akquisitionskredits auf der Tagesordnung. Gerade da schlägt wieder die Stunde des ehemaligen Bankers Kaschenz. Der Kredit hat eine Laufzeit von maximal zwei Jahren, das Darlehen läuft zunächst ein Jahr (bis November 2024) und kann zweimal um sechs Monate verlängert werden. In dieser Zeit wird der Kredit schrittweise teurer. Im März dieses Jahres zapften die Bad Sodener zur Ablösung der US-Dollar-Tranche des Akquisitionskredits den Markt für US-Private Placements (USPPs) an. Bei USPPs platzieren die Emittenten Schuldverschreibungen direkt bei institutionellen Investoren in den USA, ohne dass ein öffentliches Angebot oder eine Börsennotierung erfolgt. „Unser CEO Bernd Eulitz, unser Head of Treasury und ich machten eine Roadshow durch die USA“, erinnert sich Kaschenz. Dabei seien sie nicht nur in den Metropolen wie New York oder Atlanta unterwegs gewesen, sondern hätten auch die regionalen Pensions- und Versorgungseinheiten etwa in Milwaukee besucht. „Das haben wir in weniger als einer Woche abgeflogen.“ Die US-PP-Investoren hätten ein eigenes Rating angefertigt, wonach Messer BBB-äquivalent abgeschnitten habe. Alles zum Thema Private Equity In die Private-Equity-Branche fließt so viel Geld wie nie. Das heizt den Wettbewerb der Finanzinvestoren um Zielunternehmen an. Lesen Sie mehr auf der FINANCE-Themenseite. Mehr lesen „Da Messer sehr lange und vertrauensvoll mit Investoren im US-Private-Placement-Markt zusammengearbeitet hat und ein Teil der Akquisitionskredite in US-Dollar denominiert war, wurde im März 2024 zunächst eine US-Privatplatzierung über insgesamt 1,1 Milliarden US-Dollar mit Laufzeiten von sieben, zehn und zwölf Jahren platziert“, teilt Kaschenz mit. So konnte das Unternehmen bereits die US-Dollar-Tranche des Akquisitionskredits in Höhe von 900 Millionen US-Dollar zurückzahlen. 200 Millionen US-Dollar wurden zur teilweisen Finanzierung einer Akquisition im Helium-Geschäft in den USA verwandt. Messer emittierte Rekordschuldschein im Sommer Nach dem erfolgreichen USPP im März folgte der nächste Finanzierungsschritt im Sommer 2024, als Messer sich dem europäischen Finanzierungsmarkt zuwandte. Der Gasespezialist platzierte seinen Debüt-Schuldschein – und der wurde direkt ein Rekord für 2024. Das Volumen in Höhe von 950 Millionen verteilte sich auf sechs Tranchen mit Laufzeiten von drei, fünf und sieben Jahren, die jeweils sowohl fest als auch variabel verzinst werden. Ursprünglich hatte Messer ein Volumen von 300 Millionen Euro für das Debüt am Schuldscheinmarkt angekündigt, konnte dieses aufgrund der guten Nachfrage aber um mehr als das Dreifache erhöhen. „Knapp 60 Investoren haben eine Zuteilung erhalten“, sagt Kaschenz. Neben Banken aus Deutschland hätten sich auch europäische und asiatische Finanzinstitute stark engagiert. „Insgesamt hat sich ein breites Spektrum von Banken und Sparkassen unterschiedlicher Größe beteiligt“, erklärt der Messer-CFO. Die Voraussetzungen seien da gewesen: „Da wir implizit Finanzkennziffern im Investmentgrade aufweisen, haben wir für die Ablösung der Euro-Bridge dann erstmals einen Schuldschein platziert.“ CFO Kaschenz refinanziert Bridge-Loan Damit sind noch 500 Millionen Euro des Brückenkredits übrig, die Messer am heutigen Mittwoch Ende November refinanziert hat. „Dafür kommen verschiedene Instrumente in Betracht“, sagte Kaschenz zum Zeitpunkt des Gesprächs. Dazu zählt er Bankdarlehen, ein USPP in Euro oder weitere Schuldscheine. Aber auch eine Anleihe schließt der CFO nicht aus. Dafür benötigt die Industriegasespezialisten allerdings öffentliche Ratings. Geworden ist es nun eine Mischung aus Private Placements in Höhe von 272 Millionen Euro mit Laufzeiten von zehn und zwölf Jahren sowie Schuldscheindarlehen über 200 Millionen Euro, die drei und fünf Jahre lang laufen. Die restlichen 28 Millionen Euro finanziert Messer aus liquiden Mitteln. Wichtig sind Kaschenz die Laufzeiten. „Pro Jahr wollen wir Fälligkeiten ungefähr in Benchmark Size haben“, erläutert er. Benchmark bedeutet bei derlei Transaktionen normalerweise mindestens 500 Millionen Euro. „Wir setzen stark auf organisches Wachstum, können uns aber auch Bolt-on-Akquisitionen vorstellen.“ Helmut Kaschenz, CFO von Messer Dem Finanzvorstand ist außerdem wichtig, dass das Unternehmen weiterhin investieren kann. „Wir setzen stark auf organisches Wachstum, können uns aber auch weitere Bolt-on-Akquisitionen vorstellen“, sagt Kaschenz. Die Finanzkennziffern, die er sich genau anschaut, sind das Ebitda und die Capital Expenditures des Unternehmens. Derzeit liege die Nettoverschuldung etwas unter dem dreifachen Ebitda, die Capex-to-Sales-Ratio etwa bei 15 Prozent, die Ebitda-Marge bei 30 Prozent. „Das passt sehr gut zusammen.“ Neue Produktionsanlagen benötigten etwa drei Jahre bis zur Fertigstellung. „Man könnte diese Wachstumsinvestitionen theoretisch runterfahren, dann würde die Cash Conversion sehr deutlich hochgehen.“ Messer setzt auf Diversifizierung Das ökonomische und geopolitische Umfeld sei derzeit mit vielen kriegerischen Konflikten zwar unruhig. Messer setze aber auf Diversifizierung – regional und bei den Kunden. Preise könnten überwiegend weitergegeben werden. Und falls man wirtschaftlich tatsächlich unter Druck käme, habe man immer noch die Möglichkeit, Investitionen zu schieben, so Kaschenz. In der Covid-Zeit hätten zum Beispiel medizinische Gase die Rückgänge in der Industrie überkompensiert. Industriegase hätten zuletzt den Chemiesektor outperformt, zu dem sie oft gezählt werden. „Das zeigt die Langfristigkeit, Relevanz und Resilienz des Geschäfts“, betont der CFO. Nachhaltigkeit ist für die Messer weltweit ein großes Thema. „Wir haben langjährige Erfahrung im Bereich der CO2-Rückgewinnung und bieten unseren Kunden etwa mit ‚ZeCarb’ innovative Lösungen an, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen“, sagt Kaschenz. „ZeCarb“ steht für Zero Carbon. „Im Produktionsprozess entstehende CO2-Emissionen können aufgefangen und wieder in neuen Anwendungsgebieten genutzt oder in geologischen Formationen in der Erde, zum Beispiel in alten Erdöl- oder Erdgasfeldern, gespeichert werden“, erläutert Helmut Kaschenz. „Dekarbonisierung ist für uns damit ein Wachstumsfeld, da wir unsere Kunden bei der Erreichung ihrer CO2 -Ziele unterstützen können.“ In der Finanzabteilung befasst sich Kaschenz stark mit der EU-Taxonomie und der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). „Es nutzt nichts zu lamentieren, wir setzen das um.“ Er schließt aber nicht aus, dass diese ganzen Regularien kleinere und mittelständische Unternehmen überfordern könnten.

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